Das Geschenk der Athene

 

Eine Olivenernte

Das Leben hat es von jeher gut mit den Einwohnern der Mittelmeerländer gemeint. Bezaubernde Landschaften und Sonnenschein, der bis ins Innerste der Menschen dringt und die Herzen wärmt, gehören zu ihrem  täglichen Leben. All das macht sie fröhlich, herzlich und offen. Vor allem aber haben drei wohlgesinnte  Götter den Mediterranern wertvolle Geschenke mit auf den Weg gegeben. Demetra das Getreide, Bacchus die Weinrebe und Athene die Oliven. Im Laufe der Jahrtausende haben die Einwohner, die für ihren Einfallsreichtum bekannt sind und natürlich  auch wegen ihrer Liebe für gutes Essen,  keine Zeit verloren und die Oliven in Öl, die Rebe in Wein und das Getreide zuerst in Brot und im XIX Jahrhundert dann in Nudeln  verwandelt. Mit Olivenöl, Knoblauchzehen und  kleinen, scharfen Pfefferschoten  haben sie ein köstliches Gericht erfunden, das – mit einem guten Glas Wein genossen – weltberühmt geworden ist.

 

 

Bei näherem Hinsehen fällt allerdings sofort ins Auge, dass eines dieser Gaben die Bühne der Welt nicht als Geschenk, sondern als Streitapfel betreten hat oder, anders ausgedrückt, als Gegenstand von Sieg und Niederlage. Die griechische Mythologie erzählt, dass sich zwischen Poseidon und Athene ein grimmiger Streit um die Herrschaft über Attika, in der Antike der Stadtstaat Athen, entfachte.

Wir sprechen natürlich nicht von Irgendjemandem. Athene, die Lieblingstochter des Zeus, war die Beschützerin des Handwerkes und der Kunstarbeiten, des Rechts, der Ordnung und der Gerechtigkeit. Poseidon dagegen herrschte über Salz- und Süßwasser  und hatte die Macht, Erdbeben zu entfachen. Beide überließen die Wahl, wer über die südöstliche Halbinsel Mittelgriechenlands regieren sollte  den Einwohnern. Die baten die beiden Götter darum ein Wunder zu vollbringen. Athene ließ unverzüglich einen üppig mit Oliven  beladenen  Baum aus dem kargen Boden der Akropolis sprießen. Poseidon zertrümmerte mit dem Schlag seines Dreizacks einen Felsen und ließ eine Quelle fließen, deren Wasser jedoch salzig war.

 

 

Natürlich war das Volk von beiden Wundern tief beeindruckt. Die Diskussion, wem der Sieg zugesprochen werden sollte, zog sich denn auch mehrere Tage lang hin. Letztendlich entschied es dann doch für Athene. Poseidon’s Quelle wurde als außerordentliches aber nutzloses Meisterstück anerkannt, da ihr Wasser salzig war. Der Olivenbaum hingegen bedeutete Nahrung, Medizin, Schönheitsmittel, Opfergabe, Brennmaterial, Beleuchtung und Zahlungsmittel. In einem Wort eine Gabe von unschätzbarem Wert.

Poseidon, der sich nicht geschlagen geben wollte, ließ in einem letzten Versuch, der Göttin den Sieg doch noch zu entreißen,  ein herrliches, tänzelndes, schäumendes Pferd aus dem Meer schnellen, was die Einwohner zwar beeindruckte. Die Entscheidung  konnte er deshalb aber trotzdem nicht zu seinen Gunsten beeinflussen. Die scharfsinnige, kluge und schöpferische Siegerin hatte der Menschheit in der Tat ein einzigartiges Geschenk gemacht. Wenn es auch für Viele genau dem entspricht, gibt es Andere, wie mich zum Beispiel,  die mit der wertvollen Gabe leider nichts Rechtes anzufangen wusste.

 

 

Ich würde meine Beziehung zum Olivenöl in der Tat nicht als Liebe auf den ersten Blick bezeichnen. Meine Nase ist mit seinem penetranten Geruch zum ersten Mal vor vielen Jahren in Tunesien in Berührung gekommen. Es wurde zum Frittieren von  Fisch, Gemüse und allerlei anderen Köstlichkeiten verwendet, mit denen uns die Hoteldirektion zu verwöhnen gedachte.

Ob es die lockere, ungezwungene Umgebung war, die Gäste aus aller Herren Länder, die Hitze oder die ausnehmend lustige Stimmung  weiß ich nicht mehr. Wir haben damals wohl irgendwie das Gefühl gehabt, mit den Barbecues nicht nur unseren Hunger zu stillen, sondern auch unser Bedürfnis nach Abenteuer. Wahrscheinlich auch den Wunsch, wenigstens für kurze Zeit aus unserer Haut  zu schlüpfen und uns wirklich frei zu fühlen.

Nur so kann ich mir im Nachhinein und nach all diesen Jahren erklären, warum wir alle so glücklich und zufrieden waren und niemand die Qualität  des  Olivenöls, mit dem gekocht wurde, beanstandet hat. Ich habe die Worte  „in Berührung kommen“ am Anfang des Kapitels mit Bedacht gewählt. Dies weil weder  „schmecken“   noch  „riechen“ das ausdrücken, was damals auf uns zugekommen ist und mich dazu gebracht hat, das Wort „Olivenöl“ kategorisch aus meinem Wortschatz zu streichen.

 

 

Auch mein Umzug in die Toskana Jahre später  und der erneute Kontakt mit Olivenöl haben mich nicht dazu bewegen können, die „Gabe der Götter“ in meinen täglichen Speiseplan aufzunehmen. Für mich gab es damals nichts auf der Welt, am wenigsten Olivenöl, was Butter hätte  ersetzen können. Damals war diese delikate, duftende Köstlichkeit vom gastronomischen Standpunkt aus betrachtet zweifellos eine der wichtigsten Stützen in meinem Leben.  Ich habe das Privileg gehabt, sie auf jede erdenkliche Weise zu genießen.  Zum Anmachen gab es damals einfach  Sonnenblumenöl, weil es  den Geschmack von Salat und Gemüse nicht überdeckt.

Die Idylle begann zu bröckeln, als ich mit dem Rauchen aufhörte. Irgendwie fing ich damit an Oliven zu essen, vorzugsweise in Salzlake eingelegt, aber auch in Olivenöl, Essig oder pikant gewürzt.  Zum Zubereiten von Gemüse und Salat  kam allerdings weiterhin Sonnenblumenöl zum Einsatz.

 

 

Eine Schulfreundin meiner Tochter hat mir ohne es zu wissen den Gnadenstoss versetzt. Sie gab mir voller Stolz eine Flasche Olivenöl. Nicht irgendeines, sondern  von Oliven die vom Olivenhain ihrer Eltern  stammten und von der ganzen Familie geerntet worden waren. Ich war  jahrelang täglich an Olivenbäumen vorbeigefahren oder -gegangen, ohne dass mir ihre Gegenwart irgend ein Gefühl vermittelt hätte. Wahrscheinlich habe ich das Öl verschenkt, nicht weil ich die Gabe nicht zu schätzen gewusst hätte, sondern weil für sie in meinem Leben schlicht kein Platz war.

Ein Jahr später  übergab mir eine andere Freundin meiner Tochter das gleiche Geschenk. Natives Olivenöl extra, frisch gepresst, sattgrün, pikant und duftend, aus selbst geernteten Oliven von ihrem Olivenhain. Sie blieb zum Mittagessen und weil ich sie nicht verletzen wollte, machte ich den Salat mit ihrem Öl an. Meine Tochter liebte es schon immer und da ich es leid war, Salat und Gemüse getrennt zuzubereiten, fing ich damit an, nur noch Olivenöl zu verwenden. So habe ich mich langsam ungewollt an seinen  Geschmack gewöhnt. Als ich nach einer Weile zufällig wieder vor einem mit Sonnenblumenöl angemachten Salat saß, schmeckte er mir nicht mehr.

 

 

Mein Entschluss, an einer Olivenernte teilzunehmen, die an acht Sonntagen stattfand, weil wir unter der Woche alle unseren eigentlichen Tätigkeiten nachgingen,  hat mein Leben zweifellos reicher gemacht. Nicht nur, weil ich ein ganzes Jahr lang  mit erstklassigem Olivenöl versorgt worden bin (!), sondern weil ich die Welt der  Olivenölhersteller  kennengelernt habe,  die ihre Oliven fast so lieben und pflegen wie die eigenen Kinder und ihr Öl auf die gleiche eigensinnige, leidenschaftliche, stolze, fast kriegerische und patriotische Weise vor der Welt verteidigen, wie ihre Lieblingsfußballmannschaft.

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2 Comments

  1. Usch

    Sehr informativer und trotzdem unterhaltsamer Post zum Thema Olive hab was gelernt Danke Anneliese!

    1. Agnese

      Freut mich, dass es dir gefallen hat. Das war erst der Anfang, ed moment noch sieben Sonntage nach…

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